Les périphériques vous parlent Nr. 4
WINTER 1995/1996
S. 45-49
deutsch
diese Seite in französischer Sprache

vorangehender Artikel in Nr. 4 Arbeit gestern, heute, morgen. Welche Arbeit für den Menschen in Entwicklung ?
Landwirtschaft, Fischerei, Landleben
nach Agri-Kultur : es gibt keine armen Gebiete, es gibt nur Gebiete ohne Projekte
nach Hof einer neuen Art

Prekäre Zeiten der Landwirtschaft

Anlässlich der Vorführung des von Wladimir Tchertkoff realisierten Dokumentarfilms des italienischsprachigen Schweizer Fernsehens „Prekäre Zeiten” im Rahmen der Universität der Dringlichkeit sind Studenten des Landwirtschaftsgymnasiums von Chartres La Saussaye nach Paris gekommen, um zu den Studenten aus der Stadt über die Würde des Landwirtsberufes zu sprechen ; aus den von diesem Dokumentarfilm erhobenen Fragestellungen heraus begann eine Debatte mit Landwirten, Scarlette Le Corre - Verantwortliche des Überlebenskomitees der Fischer, der Gruppe der Périphériques, Studenten und Professoren von Paris 8 und anderen Universitäten, Vertretern von Arbeitslosenvereinigungen, der nationalen Koordination der Krankenpfleger, dem Regisseur und anderen Teilnehmern. Folgender Standpunkt hat sich den Anwesenden aufgedrängt : Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur werden mit Sicherheit eher durch eine Anstrengung in Richtung auf die Entwicklung der Qualität des Menschen selbst, als durch eine Politik von Produktion sogenannter „Qualitäts”-Produkte der aktuellen Krise begegnen können.

Donnerstag, den 16. Februar 1995, 10 h 30, auf der großen Leinwand des Hörsaals Y von Paris 8 huschen blitzschnell die Felder der Beauce vorbei. Eine Stimme kommentiert Bilder von Aktualität :

„Angst vor der Zukunft und Wut in der Gegenwart. Von September 93 bis zum Frühjahr 94 hat Frankreich in sieben Monaten fünf sozial-wirtschaftliche Erschütterungen erlebt, welche das kollektive Selbstbewusstsein angesichts der Krise aufzurühren beginnen. Gegen Ende des Sommers blockieren Landwirte die Zufahrtsstraßen nach Paris, um gegen die GATT-Abkommen über den internationalen Handel zu protestieren, welche fünfhunderttausend Klein- und Mittelbetriebe zum Tode verurteilen. Im Oktober legen Streiks gegen die Entlassungen bei Air France die Flughäfen lahm. Im Januar zwingt der Protest der Befürworter der öffentlichen Schulen die Regierung Balladur dazu, die staatliche Finanzierung der Privatschulen zurückzuziehen. Im Februar führt der Zorn der von der weltweiten Verstrickung des Fischmarktes dezimierten bretonischen Fischer zum tragischen Brand eines historischen Monumentes, des Parlamentes von Rennes, von wo der erste Funke der Französischen Revolution ausging. Im März schließlich entdecken die jungen Gymnasiasten anlässlich eines Dekrets über das Eingliederungs-Mindestgehalt plötzlich, dass sie keine Zukunft haben.”

ZUKUNFT ODER KEINE ZUKUNFT ?


„Wir stellen 5 % der arbeitstätigen Bevölkerung dar, erklärt ein Student von Saussaye, unser Sektor ernährt viele Personen, ebenso nach uns, als auch vor uns. Im Jahre 1990 waren wir 1 200 000 ; im Jahre 1992 1 Million. Heute sind wir nur noch 800 000. Dieser Aktivitätsverlust ist bis hin zu den Sektoren der Metallurgie, der Forschungsindustrie, der Chemieindustrie und der Lebensmittelverarbeitung spürbar. Wir sind und Sie sind von diesem Problem, welches Stadt und Land angeht, betroffen. Keiner von uns ist sicher, den Betrieb seiner Eltern übernehmen zu können. Heute weigern wir uns, aufzugeben. Wir kämpfen bis zum Ende, um den Beruf auszuüben, welchen wir wollen. Wir müssen Widerstand leisten. Hierfür müssen wir uns ständig wieder in Frage stellen und neue individuelle oder kollektive Lösungen suchen, d.h. fallweise, wie man es im Dokumentarfilm sehen kann.”

Die Stimme off des Dokumentarfilms hallt noch im Saal wider :

„Die Landgebiete Frankreichs befinden sich in einer Verfalls- oder sogar Verwüstungsspirale. Ein Raum, der mehr als 80 % des Staatsgebietes darstellt, aber wo heute nur 20 % der Bevölkerung wohnen. Heute fallen automatisch mehr als 80 % der Hilfsleistungen der EG den reichsten 20 % der Landwirte zu.”

ZERRISSENE WIRKLICHKEIT


Die Worte des jungen Landwirtes, der im Dokumentarfilm seine Lage erklärt, bezeugen den tragischen Alltag der Folgen der Krise :

„Der Schweinefleischkurs ist gestürzt. Ich begann, Schulden zu haben und fand mich vor dem Richter wieder. Der Entschuldungsplan wurde nicht angenommen, und ich musste somit den Betrieb auflösen. Heute sind die Gebäude leer, und ich besitze nichts mehr. Nach dem Gesetz verliere ich die Wohnung ; ich befinde mich wieder am Nullpunkt.” „Waren Sie in der Gegend allein ?” fragt der Interviewer. „Nein, aber eine solche Lage den Nachbarn zu erklären, ist nicht leicht...”

Im Hörsaal erklärt ein Student der Saussaye seinerseits :

„Meine Eltern sind Milchproduzenten. Wir unterliegen den Quota. Doch ein Bauernhof ist keine Fabrik, man kann die Milch einer Kuh nicht wie einen Wasserhahn abstellen. Einmal haben meine Eltern das zulässige Quotum überschritten. Aus Stolz, aus Respekt für die Milch haben sie sich geweigert, den Überhang zu vernichten. Sie glaubten, das Problem lösen zu können, indem sie ihre Milch den Restaurants du Cœur und anderen Vereinen geben wollten. Dies ist verboten. Sie mussten in diesem Jahre Strafgelder zahlen, die höher als der Verkaufspreis der Milch lagen. Doch danach musste man das Problem anders lösen, sonst gingen wir pleite ! Mit der Milch, welche wir nicht produzieren dürfen, aber die wir nicht nicht produzieren können, kann man z.B. Kälber züchten.”

BLIEBEN ALSO NUR NOCH TRÄUME ?


„Haben Sie in Ihrem Gymnasium in Chartres unter jungen Leuten gemeinsame Projekte ? ”, fragt der Interviewer.

„Wenn man träumt, kann man wirklich welche haben. antwortet ein Agronomiestudent, meine Eltern haben aufgegeben ; in der Tat haben sie die Lust an der Landwirtschaft verloren. Doch das Problem ist, dass ich meinerseits Lust zur Landwirtschaft bekommen habe ! Wenn man mich in meiner Region nicht will, dann glaube ich, dass ich eine Region finden kann, in der man Landwirte sucht, um den Raum und neue Ideen zu entwickeln. Wenn in der Region von Chartres die Tendenz eher in Richtung auf eine im Übermaß produktivistische Landwirtschaft geht, so sieht man hier nicht die Gefahr des vollständigen Verschwindens des Landlebens.”

DER WIRKLICHKEIT ENTGEGENTRETEN, UM DAS UNERHOFFTE ZU VERWIRKLICHEN


„Zwischen den Leuten, die uns regieren und Entscheidungen treffen und jenen, die arbeiten und die wahren Probleme kennen, klafft ein immer tieferer Graben”, bemerkt ein Student im Saal. Er gibt auf das im Dokumentarfilm angesprochene Problem eine Antwort :

„Die Distanz zwischen einem gegenüber der Krise reaktionsunfähigen Staat und einer Gesellschaft, die nicht bereit ist, der weltweiten Verstrickung der Wirtschaft gegenüberzutreten, hat sich letzten Winter mit der Revolte der bretonischen Hochseefischer klar gezeigt, denn sie fühlten sich nicht mehr von ihrer offiziellen Gewerkschaft vertreten, die sich als einziger von der Regierung anerkannter Gesprächspartner als zu weit von den Problemen der Basis entfernt erwiesen hat und keine Maßnahmen auf der Höhe des Ernstes der Lage hat aushandeln können.”
 
„Wer hat sich, abgesehen von Landwirten und audiovisuellem Bereich, gegen die den Wirtschaftsmarkt weltweit verstrickenden GATT-Abkommen erhoben ?
entgegnet ein zweiter Student, was macht die Person, welche die GATT-Abkommen im Namen Frankreichs unterzeichnet hat, heute ? Sie arbeitet für einen multinationalen amerikanischen Konzern. Der Staat steuert uns nicht mehr, er wird selbst von etwas Höherem gesteuert.”

Bilder von Scarlette Le Corre allein auf einem kleinen Fischerboot auf stürmischer See begleiten folgenden off-Kommentar :

„...nach anderthalb Monaten schlechten Wetters und Stürmen, welche die Ausfahrt der Trawler verunmöglicht hatten, haben die Fischeinfuhr aus Niedriglohnländern, dann die Abwertung des Pfund Sterling, der Peseta und der Lira die Preise in den Häfen der Bretagne abstürzen lassen und damit das Fischereihandwerk, welches die Küstengebiete leben lässt, vom Aussterben bedroht. Man hat das Paradox gesehen, dass eine verzweifelte Gesellschaftsgruppe in einem der reichsten Länder der Welt im Jahre 94 ein « Überlebenskomitee » hat improvisieren müssen, um sich mit Methoden an der Grenze der Legalität Gehör zu verschaffen. Eine provisorische Unterstützungslösung wurde von der Regierung erst beschlossen, als der Schauplatz der Forderungen mit bürgerkriegsähnlichen Szenen auf die Straße getragen wurde.”

Scarlette wendet sich an die im Hörsaal anwesenden Studenten :

„Man muss nicht immer sagen, dass die Anderen schuld sind. Wenn ich ständig höre, schuld sind die Amerikaner, schuld ist dies und das... Fragen Sie einmal Ihre Eltern, was geschehen ist und warum. Nur eine Minderheit ist ständig auf der Hut. Als alles gut ging, kam niemand aus der Ruhe. Wir lebten gut, daher haben wir uns nicht um unsere Jugend beunruhigt. Ich glaube, dass dies das Problem ist, die Schuldfrage muss man unserer eigenen Verantwortlichkeit stellen.” Auf ihre Fragen über die Qualität antwortet sie : „Wenn Sie in Ihren Betrieben ein gutes Qualitätsprodukt herstellen wollen, so kann ich Ihnen sagen, dass dieser Markt existiert, aber es sind nicht die Anderen, die ihm zur Existenz verhelfen werden... Mit meinen Kollegen haben wir dafür gekämpft, dass der Seebarsch, welcher auf kleinen Booten zu zehn, zwanzig Kilo am Tag geangelt wird und daher nicht mit der Industriefischerei oder dem italienischen Zuchtbarsch in Konkurrenz treten kann, als Produkt höherer Qualität, welche einen Preisunterschied rechtfertigt, anerkannt wird. Wir haben erreicht, dass er das Gütesiegel « Angelbarsch » erhält ; dies erlaubt dem Verbraucher, seine Wahl zu treffen. Ich kann Ihnen sagen, dass wir damit nur 20 % der Kundschaft erreichen, aber diese 20 % zahlen den Preis, weil diese Leute gut essen möchten.”

Starker Beifall zahlreicher Anwesender.


LÖSUNGEN ERFINDEN, UM ZU WIDERSTEHEN...


„Da unser Einkommen ungewiss ist, erklärt die Mutter eines Studenten aus Chartres, welche gekommen ist, um Zeugnis abzulegen, haben wir uns entschlossen, als Landwirtsfrauen den Betrieb abwechslungsreicher zu gestalten. Ich habe für meinen Teil Gästezimmer eröffnet. Wir haben das Glück, einen schönen Beruf zu besitzen, wir möchten, dass ihn unsere Kinder lieben, daher müssen wir ihn beschützen, indem wir ihn ständig neu erfinden.”

Die Rolle der Frauen ist in diesem Widerstand grundlegend. Der Dokumentarfilm zeigt eine junge Landwirtin im Norden, welche Schulklassen aus der Stadt ihren Betrieb besichtigen lässt. Eine andere nimmt mit ihrem Gatten drei Patienten einer psychiatrischen Klinik auf. Im Krankenhaus kostet ein Patient 30 000 Frs im Monat, in einer Familie 6000. Sie wohnt der Debatte bei. Neben ihr ist die Krankenschwester, welche sich auch um diese Patienten kümmert, gekommen, um die enormen Fortschritte dieser Patienten zu bezeugen :

„Ein Aufblühen ! Man könnte von ihrer « Freude », die Erde zu bearbeiten, sprechen, während sie im Krankenhaus ihre Verzweiflung mit sich herumschleppten.”

Wladimir Tchertkoff spricht jetzt über die Entwicklung, über welche er sich in seinem Dokumentarfilm Fragen gestellt hatte :

„Die Koordination kann von dem Augenblick an zu einem lebensnotwendigen Phänomen werden, wo man sieht, dass sich die Dinge entwickeln können, selbst auf Seiten Ihrer Gegner. Die junge Landwirtin, welche im Dokumentarfilm sagte, dass « man in unserem Beruf nicht mehr träumen kann », ist theoretisch eine Konservative, sie kämpft, um sich zu erhalten. Am liebsten möchte sie wieder der Gruppe der Besitzenden, der Geschützten, angehören. Angesichts der Krise ist dies kaum wahrscheinlich. Umfragen haben aufgezeigt, dass über die Hälfte der Franzosen befürchten, an den Rand gedrängt zu werden. Sie teilt auch diese Furcht. Der « flexible » Teil ihrer Persönlichkeit ist aber interessant. Es handelt sich um eine Krise, welche wirklich neue Möglichkeiten eröffnet, da es sich um eine Grundkrise handelt, welche über die alten Grenzen hinausgreift. In dieser Dimension der Krise gibt es nicht weniger oder mehr Glück. Die Krise ist wirklich allgemein, und dies ist tatsächlich ein Glück für uns.”

Ein Student des Gymnasiums in Chartres ist von der Möglichkeit, eine Zukunft in der Landwirtschaft zu haben, überzeugt :

„Ich würde meinerseits sagen, dass wir im von Scarlette beschriebenen Fischereiwesen und in unserer Welt der Landwirtschaft ständig mit einer wechselnden Natur, Wetter, Meer, Elementen, Stürmen usw. konfrontiert sind. Wir haben gewissermaßen eine beinahe angeborene, oder eher von den äußeren Elementen erzwungene « Akteursmentalität ». Heute machen die weltweite Verstrickung der Wirtschaft der Märkte und der Landwirtschaft sicher die Dinge noch schwieriger, aber wir sind und müssen gewappnet sein, um wahrhaftige Akteure zu sein... Wir müssen ständig und mehr denn je auf die eine oder andere Art fähig sein, uns wieder in Frage zu stellen.”

Jetzt muss man nur noch die Landschaften in Lebensprojekte verwandeln.

Debatte aufgezeichnet von
Christine Chaufour-Verheyen


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Landwirtschaft, Fischerei, Landleben
nach Hof einer neuen Art

Agri-Kultur :
es gibt keine armen Gebiete, es gibt nur Gebiete ohne Projekte

Die Lösung der Krise, in welcher augenblicklich die Landwirtschaft, um die sich das Landleben formte, steckt, kann nur von der Fähigkeit des Produzenten selbst kommen, neue Aktivitäten zu erfinden, um Gebieten, die an wirtschaftlicher Verwüstung leiden, neues Leben einzuhauchen. Wir widmen einen Teil dieser Rubrik der Aktion und der Überlegung des CIVAM und insbesondere von François PLASSARD, Forscher in dieser Organisation, der sich als „Akteur des Wandels auf dem Land” bezeichnet.
Alle Zitate stammen aus dem Buch von François Plassard : Territoires en prospective. Quel nouveau contrat Ville-campagne ? (Herausg. Procivam-Adir, 1995)

Das Ziel des CIVAM ist „Wiederqualifizierung der Landgebiete in den neuen Herausforderungen der Gesellschaft” frz. Originalzitat im Rahmen einer Forschung-Entwicklung, die es dazu veranlasst hat, im Jahre 1990 im Rahmen einer Partnerschaft mit der EG und dem Landwirtschaftsministerium ein Netzwerk von für örtliche Projekte verantwortlichen Landwirten, das AAP, zu schaffen. Dieses Netz verbindet heute vierhundert Vereine.

Dieses Experiment - in Verbindung mit einer Forschungsarbeit - bildet projektverantwortliche Landwirte aus und baut ein „Netzwerk von Reserven” für Projekte auf, die im Rahmen einer vom Landwirtschaftsministerium genehmigten Ausbildung und Aktion neue Aktivitäten mit sich bringen ; ein Pädagogikkomitee hilft im Übrigen jedem Landwirt, sich einen institutionellen oder technischen Assistenten zu wählen.

Wenn Landwirte auf der örtlichen Ebene Projekte verwirklichen, welche der Einsatz einer Neustrukturierung des Landlebens sein können, so bedarf dies des Erwerbs einer komplexen Denkweise, die fähig dazu ist, einem Jeden einen „vorausschauenden” Blick auf den Beruf im Rahmen der allgemeinen Gesellschaftsentwicklung zu geben. Dies ist zumindest eine Hauptsorge des AAP. François Plassard qualifiziert von daher diese neuen Landwirte „als Landerneuerer”.

Welches ist die Tragweite einer derartigen Initiative ? Es handelt sich vor Allem darum, mit dem produktivistischen Wachstumsmodell Schluss zu machen, denn dieses zerstört heutzutage ständig Arbeitsplätze auf dem Land und schädigt die Wirtschaft ganzer Regionen. Gegenüber der Krise des „Intensivproduktionsmodells”, welches auf dem Dreieck : „intensivieren, sich vergrößern, sich spezialisieren” beruht, greifen die Landerneuerer auf andere Kriterien, wie „Ersparnis, Aufwertung, Komplementarität” zurück, um ein neues „Landmanagement” voranzutreiben. Heute stellt sich somit die Frage : „Wie kann man eine Eroberungs- und Konkurrenzlandwirtschaft in eine Gleichgewichtslandwirtschaft verwandeln, die ein Partner für die neuen Berufungen der Regionen oder Lebensbecken sein kann ?” frz. Originalzitat

Die Entwicklung des Landwirtschaftswachstums während des Wirtschaftswunders (1945-1975) fand auf Kosten der Einführung einer Arbeitsteilung statt, die allmählich die Landwirtschaftsproduktion im Allgemeinen in „ein einfaches unterwürfiges Glied der Nahrungskette” verwandelt hat. Andererseits ist diese Produktionsintensivierung nur wenig dem Einkommen der Landwirte zugute gekommen : während dieser Periode „hat die Politik der von Brüssel unterhaltenen Preise den Aufschwung der Lebensmittelndustrie begünstigt ; diese verarbeitet 75 % der Landwirtschaftsprodukte. Lebensmittel verarbeitende Industrie und Hypermärkte stecken den Produktivitätsgewinn in die Tasche.” frz. Originalzitat

Da die Arbeitszeit in der Produktion zwei bis drei Mal schlechter bezahlt wird, als die Arbeitszeit in der Verarbeitung und im Verkauf, geht es jetzt für die Landerneuerer darum, „Ketten wiederzuerobern” indem man sich die Verarbeitungs- und Verteilungsfunktion wieder zu eigen macht, und andererseits mit dem Direktverkauf auf den Verbraucher zuzugehen, um besser statt mehr zu verkaufen. „Weil die Landerneuerer in ein und derselben Organisation widersprüchliche Funktionen : Produktion, Verarbeitung, Verkauf vereinen, machen sie, ohne es zu wissen, eine Lehre komplexer Organisationen, welche in der Dynamik der örtlichen Entwicklung eingebunden sind.” frz. Originalzitat

Das Aufkommen einer Qualitätslandwirtschaft, von Qualitätsprodukten stößt an die Grenzen der zahlungskräftigen Nachfrage auf dem Markt. Die Landwirtschaft muss gleichzeitig an eine Vervielfältigung ihrer Aktivitäten denken, was zu einer neuen Beziehung zwischen Stadt und Land führen dürfte. François Plassard fügt an anderer Stelle hinzu : „Auf Grund der Eigenart ihres neuen « komplexen » Berufes sind sie (die Landerneuerer) sensibler und besser als die « klassischen Landwirte » darauf vorbereitet, sich auf die Märkte der « Beziehungen » : Freizeit, Kultur, Erziehung, Gesundheit, Touristik zu begeben, welche im Budget der Haushalte einen immer größeren Platz einnehmen und Zeichen einer neuen sozialen Nachfrage gegenüber dem Land sind. Ihre Produkte sind von einer objektiven und auch « beziehungsmäßigen » Qualität « informiert » und überschreiten daher den Rahmen der 4 %, welche sonst den Anteil der Landwirte im Budget des Verbrauchers darstellen.” frz. Originalzitat

Indem diese neuen Aktivitäten vielfältige Dienstleistungen anbieten, welche wir in dem Maße „landkulturell” nennen könnten, dass die Produktionstätigkeit wieder zu einem Instrument wird, welches der Entwicklung eines Lebensrahmens untergeordnet ist, erschließen sie einen ländlichen Raum. Diese Strategie vielfältiger Aktivität befindet sich im Rahmen einer „Wiederqualifizierung der Landgebiete in einer Gesellschaft mit Freizeitdominante”. frz. Originalzitat Infolge des Aufbaues dieses Netzwerks wird der Landwirt eine Entwicklungslogik von Korporatismus oder von Produktketten aufgeben, um Partner und Kompetenzen auf dem ganzen Territorium zu mobilisieren : „Z.B. ein agro-touristisches Projekt, eines zur Wiederaufwertung von Flussufern wird Reisebüros, Kulturvereine, Grundbesitzer, technische Dienste mobilisieren, somit ebenso viele verschiedene Sprachgebräuche und Kulturauffassungen, mit welchen das AAP den Dialog lernen muss”. frz. Originalzitat

Man kann sich heutzutage die Frage stellen, ob die notwendige Umstellung der Landwirte auf andere Aktivitäten außer der Tatsache, dass sie zusätzliches Einkommen anbietet, nicht auch in Richtung auf eine Landwirtschaft wirkt, die nicht mehr nur dazu da wäre, die Welt zu ernähren, sondern auch dazu, eine Pionierrolle in „der Umorganisation der Gesellschaftszeit als Antwort auf das Ende der Vorherrschaft der allgemeinen Lohnarbeit” frz. Originalzitat zu entwickeln ?

Wir wollen mit der folgenden von François Plassard hervorgebrachten Perspektive abschließen : „Werden wir uns nicht jetzt darüber klar, dass die Landwirtschaft nicht mehr dazu da ist, so viele Lebensmittel wie möglich zum niedrigstmöglichen Preis zu produzieren und dabei so wenig Arbeitskräfte wie möglich zu benutzen ? Eher soll sie jetzt eine Vielfalt von Nahrungsmitteln von gesunder Qualität in Mengen produzieren, welche für den komplementären Austausch jeder Nationengruppe notwendig sind, und unter Bedingungen, welche gleichzeitig Versorgungssicherheit, Respekt der Umwelt, und optimale Arbeit sicherstellen, um andere dem Raumbedürfnis in der Gesellschaft von morgen komplementäre Sozialfunktionen zu erfüllen”. frz. Originalzitat

Yovan Gilles


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Landwirtschaft, Fischerei, Landleben

Hof einer neuen Art

In den Corbières speisen, leben und wandern.
Auszüge aus dem Buch von François Plassard

„Alles hat im Jahre 1982 begonnen”, berichtet François Plassard in seinem Buch, „als sich eine kleine Gruppe von Freunden, ein Informatiker, ein Sportlehrer..., die sich auf Bienen- und Ziegenaufzucht oder als Olivenpflanzer... umgestellt hatten, beschließt, ihre Produkte am Strand von Gruissan, Port Leucate verkaufen zu gehen...

Wenig erfolgreiches Experiment, lächerlich geringer Umsatz... Der Verkauf verwandelt sich so in eine Mahlzeit mit traditionneller Gastronomie, am Abend unter der Pergola in Gruissan. Zwischen Touristen und diesen (neu-ländlichen) Produzenten knüpfen sich Beziehungen an... von da aus ist es nur ein Schritt, das Hinterland mit ihnen besuchen zu gehen, wenn der Strand zu langweilen beginnt und die Bodenluft kühl wird ! ” Diese Etappe wurde zwischen 1982 und 1986 beschritten.

Doch sehr bald genügen die Besichtigung eines landwirtschaftlichen Betriebes und des kooperativen Weinkellers nicht mehr ! „Wir mussten unsere zu bäuerlichen Eisen sprengen”. Im Jahre 1986 stockt sich das Netzwerk mit ehrenamtlichen Mitarbeitern auf, und tausend Personen entdecken im Juli und August das Hinterland. Z.B. war der botanische Rundweg ein Erfolg, eine begeisterte Bäuerin empfängt Gruppen auf einem von heimischen Pflanzen wimmelnden Pfad. Im Jahre 1991 trifft der ADALAP eine neue Entscheidung. Eine Gelegenheit ergibt sich : Außerhalb der Hauptsaison die fünfzehn Ferienplätze des Betriebsrates der EDF zu mieten, welche sich in Camplong, dem Dorf von Yannick (Vorsitzender des ADALAP), befinden. Doch wo kann man den Gästen zu essen geben ? Der Bürgermeister, die Departementsversammlung... alle machen sich an die Arbeit : über dem Gelände der EDF, welches oberhalb des Dorfes liegt, wird für eine Million francs ein Restaurant, La Ferme Gourmande, errichtet. Der Empfang findet das ganze Jahr über statt, und die Frauen von Camplong bringen ihr Küchentalent mit den Produkten der Landwirte zum Ausdruck. Im Jahre 1991, haben wir 5 000 Mahlzeiten servieren können, im Jahre 1992 : 10 000 !

Seitdem konzentriert sich die Strategie des ADALAP, welcher zu einer SARL geworden ist, auf die Nebensaison. La Ferme Gourmande und die Produkte der Landwirte sind zum Pflichtprogramm der vom ADALAP animierten Tage geworden. „Rundweg des Vergnügens, Goldene Zeit”, „Poesie in den Corbières”, „Die Umwelt mit den Sinnen erfassen”, „Die Corbières der Seeleute” sagen viel über die zwanzig den Gruppen vorgeschlagenen Themen aus.

Ist Yannick eigentlich immer noch ein Landwirt, der ein Projekt animiert ? Für die Verwaltung ist er ganz einfach Verantwortlicher einer von Landwirten eingerichteten SARL, welche zwei Millionen Francs Umsatz macht. Doch vielleicht ist er viel mehr als das, denn jetzt, wo dieses Projekt groß geworden ist, überstrahlt es nicht mehr nur einige Landwirtschaftsbetriebe, sondern ein riesiges Gebiet. Wer könnte sich darüber beklagen ? Sicherlich nicht die Landwirte, welche Gesellschafter seiner Gruppe sind und durch den ADALAP ihren Hauptabsatz finden. Und auch nicht all die anderswoher gekommenen Leute, die wie der Lehrer, welcher mir den Aperitiv servierte, niemals ohne den ADALAP die Geheimnisse der Corbières entdeckt hätten : Ihre Geschichte, ihre Abteien, ihre Schlösser, ihre Winzereien, ihre Lebenskunst, ihre Dörfer, ihre Menschen... Landsmann eines Landes und einer Landschaft... Erfindet man nicht durch die Vielzahl neuer in der Aktion erworbener Kompetenzen einen neuen Beruf ?


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Les périphériques vous parlent, zuletzt bearbeitet am 3. Juli 03 von TMTM
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« La requalification des espaces ruraux dans les nouveaux enjeux de la société »
 


« Comment passer d'une agriculture de conquête et compétition acharnée à une agriculture d'équilibre, partenaire des nouvelles vocations des territoires ou bassins de vie ? »
 


« La politique des prix soutenus par Bruxelles hat favorisé l'essor de l'industrie agroalimentaire qui traite 75 % de la matière première agricole, l'industrie agro-alimentaire et la grande distribution confisquant les gains de productivité. »
 


« Parce qu'ils combinent dans une même organisation des fonctions contradictoires : produire,transformer, vendre, ces agrinovateurs font, sans le savoir, l'apprentissage d'organisations complexes, intégrées dans la dynamique du développement local. »
 


« Par la nature de leur nouveau métier “complexe”, ils sont plus sensibles et armés que les “agriculteurs classiques” à aborder les marchés du “relationnel” : loisir, culture, éducation, santé, tourisme, en expansion dans le budget des ménages et signe d'une nouvelle demande sociale à l'égard de la campagne. Parce que leurs produits sont “informés” par une qualité objective et aussi “relationnelle”, ils dépassent le cadre des 4 % que constituent la part des agriculteurs dans le budget du consommateur. »
 


« requalification des territoires ruraux dans une société à dominante de temps libre »
 


« Par exemple, un projet agro-touristique, un projet de remise en valeur de berges de rivière, mobiliseront des agences de voyage, das associations culturelles, des propriétaires fonciers, des services techniques, soit autant de langages différents, avec lesquels l'AAP doit apprendre à dialoguer ».
 


« la réorganisation des temps sociaux, en réponse à la fin de l'hégémonie du tout-emploi »
 


« Ne prenons-nous pas conscience que l'agriculture n'est plus là pour produire le maximum de denrées alimentaires au prix le plus bas en utilisant le minimum de main-d'œuvre ? Mais plutôt pour produire une diversité de denrées, de qualité saine, dans des quantités nécessaires à chaque groupe de nations complémentaires dans l'échange, et dans les conditions qui assurent à la fois la sécurité d'approvisionnement, et l'emploi optimum pour assurer d'autres fonctions sociales complémentaires de besoin d'espace dans la société de demain. »