HERBST 1994 S. 23-25 |
7. Kapitel : Multi-Aktivität | |
Die Zusammenhänge der Krise |
Diane von Poitiers |
Sicher, wir sind alle gleich. Alle. Bis auf einen kleinen Unterschied für Jeden, und dieser kleine Unterschied, dieser Vorzug, mit dem man einen besonderen Aspekt seiner Person bedenkt, ist die Basis der Persönlichkeit selbst. Dadurch ist ein Jeder ähnlich wie alle Anderen, und doch sein Selbst. Dieser kleine Unterschied ist der ganze Unterschied, er umschreibt die Frage der Persönlichkeit.
„Wenn ich meine Persönlichkeit in meiner Arbeit und in meinem Tagwerk einsetzen will, muss ich dann nicht meine Möglichkeiten finden ? Wenn das, was ich produziere, von mir zu kommen scheint, kann ich mich dann nicht besser motivieren, einsetzen, unterhalten und mit den Anderen produzieren ?” Solche und ähnliche Gedanken haben wahrscheinlich die meisten von uns schon gehabt.
Wir machen hier drei Bemerkungen über die Persönlichkeitsentwicklung. Erstens - die für Jeden spezifischen „Ausdrucks-” Möglichkeiten, zweitens - die Kenntnis der individuellen Eigenarten, welche die Persönlichkeit ausmachen, drittens - die Interaktionsfähigkeit zwischen Individuen in einer Gruppe. Diese drei Bereiche vermischen sich und sind untrennbar miteinander verknüpft ; sie stellen eine Dynamik und eine ständige Aktivität dar, die man nur durch ihre Beziehungen zueinander erfassen kann.
Erstens - Die Frage der „für jede Person spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten” verlangt eine Praxis. Man könnte sie folgendermaßen formulieren : „Wie kann ich mich ausdrücken ?” Diese Frage bezieht selbstverständlich das Leben mit ein, d.h. „den lebendigen Menschen, der in seiner Aktion gegenwärtig ist”.
Die Anforderungen dieser Persönlichkeitsbildung im Rahmen einer Aktivität betrifft vor Allem den folgenden Punkt : Seine Kapazitäten und Fähigkeiten, mit seinen Mitteln zu handeln, zu erkennen und zu kultivieren. Es ist wichtig, mit dem, was aus Jedem jemand Besonderes, einen „Anderen” macht, auszudrücken und sich auszudrücken, aber als „ein Anderer mit den Anderen”, und vor allem „mit Hilfe der Anderen”, und so (eine Hand wäscht die andere) „aus sich selbst heraus”.
Zweitens „Zu lernen, die Eigenarten eines Jeden zu erkennen” müsste dazu führen, zu verstehen, was die Persönlichkeit ist. Zunächst ist es nicht so wichtig, ein Wissen zu erwerben, als die Mittel zu kennen, mit denen man aus allen Möglichkeiten eines Jeden und der Gruppe Nutzen zieht ; man muss sie erst entdecken, und das gehört auch zur Forschung, vergessen wir es nicht !
Die Suche nach dem freien Ausdruck für jedes Individuum in einer Gruppe, das gemeinsame Bedürfnis, eine eigene Ausdrucksform zu finden, die mit dem Ausdruck der Unterschiede eines Jeden verbunden ist, und all das in Interaktion mit anderen Gruppen, ruft zur Anerkennung eines Grundrechtes auf : Des Rechtes eines Jeden, seine Eigenart auszudrücken. Wir sagen sehr wohl „seine Eigenart auszudrücken”, denn dieser Ausdruck kann einen ganz anderen Kampf einleiten, als den Kampf für „das Recht, anders zu sein”.
„Das Recht, anders zu sein” verlangt eine förmliche Anerkennung der Andersartigkeit des Anderen. Das Recht, anders zu sein erlaubt einem Individuum, einer Gruppe oder einer Gemeinschaft ohne Weiteres, sich in ihrer Eigenart gegen die Anderen oder bestimmte Leute einzuschließen. Indem eine Gruppe oder eine Gemeinschaft sich auf sogenannte Tatsachen, oder Rechte oder irgendetwas, was „schon da” ist, stützt, kann sie ihr Recht, anders zu sein, dazu ausnutzen, alle Anderen aus einem Territorium oder einer Gemeinschaft herauszuzwängen, von denen sie vorgibt, dass sie ihr gehören ; der Faschismus kann eine solche Logik ohne Weiteres handhaben. Die Philosophen des „Club de l'Horloge” hatten damit keine Schwierigkeiten. Die Nationalismen und alle Integrismen auch nicht.
Das Recht, seine Eigenart auszudrücken ist etwas ganz Anderes. Es verlangt nicht die passive Anerkennung, sondern die Kenntnis, welche eine aktive Handlung ist : Das Wissen Wollen. Die Anerkennung spielt sich in der formellen Erklärung „ich erkenne Sie an” ab ; Jeder bleibt bei sich und die Eigenarten sind gut bewacht. „Sicher, ich erkenne seine Eigenart an, aber es ist nicht meine, am Ende will ich gar nichts von ihr wissen”. Die Anerkennung erscheint wie das Bild, das man sich von dem Anderen macht ; meistens ist es ein Klischee. Das positivste Resultat, das man vom Recht, anders zu sein, erwarten kann, ist offensichtlich die Toleranz. Es folgt das Abgrenzungsprinzip. Man grenzt sich in seiner eigenen Referenz ab, im Gruppenkonformismus, im „Die Hölle ist der Andere, bleibe darin und rühre mein Paradies nicht an”.
Das Recht, seine Eigenart auszudrücken, betrifft die Kenntnis des Ausdruckes des Anderen eher als eine formelle Anerkennung, die die Ausgrenzungslogik ernährt. Das Interesse, das Jeder für den Anderen hat, zeigt sich in diesem Falle in der Form des Ausdrucks : „Ich muss den Anderen durch seinen Ausdruck verstehen”. Der Ausdruck ist die Basis jeder Kommunikation. Er ist kein Bild, sondern Element eines Dialogs, „die Erwartung einer Antwort” : „Wie kann ich mich verständlich machen, wenn ich nicht zunächst selbst mein Gegenüber verstehen will, wenn ich mich nicht in die Lage versetze, eine Antwort zu erwarten ?” Man kann sich sicher für sich selbst ausdrücken ; doch der menschliche Ausdruck ist zunächst eine soziale Handlung, die mit der Geburt, mit der Kindheit, mit dem Sprechen Lernen in der Familie und in der Schule beginnt. Er gründet sich auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich in einem Milieu, einer Gesellschaft, in einem Lande zu einem gegebenen Zeitpunkt und vor allem durch dauernde Veränderungen anknüpfen, die nicht Jeden auf dieselbe Art und Weise berühren. Kurz gesagt, beruht er auf folgendem Postulat : „um zu handeln, denn ich muss handeln, muss man sich verstehen (mit dem agere im drama durch die praxis)”.
Drittens - „Die Interaktionsfähigkeit der Individuen in der Gruppe” führt im weitesten Sinne die Bedeutung von Kommunikation ein. Interaktivität bedeutet zunächst, erfinderische Vorgänge und Dynamiken zu finden, um zu kommunizieren. Aber um welche Art von Kommunikation handelt es sich hier ? Was ist Interaktivität ?
Interaktivität ? Von vornherein erscheint dieses Wort voller Plattheiten. Es ertönte an den schönen Tagen der Gruppendynamik, und seine Bedeutung greift kaum weiter als der enge Gesichtskreis der Einführung verschiedener Verfahren, um die menschlichen Beziehungen im Rahmen einer Gruppe, eines Teams oder einer kleinen Gemeinschaft zu verbessern.
Für uns kann das Wort Interaktivität nur dann eine Bedeutung bekommen, wenn man genau die Arten von Aktivitäten auswertet, die sie im Rahmen einer Beziehung oder einer Kommunikation einführt. Wenn wir auf der Ebene der menschlichen Beziehungen bleiben, lässt Kommunikation Beziehungen zwischen Individuen vermuten, die Informationen austauschen. Was uns hier interessiert, ist die besondere Art von Beziehungen und somit die Qualität der Kommunikation, die eine Gruppe, die sich ausdrücken will, erfinden kann, um ein gemeinsames Projekt vorzustellen. Wir behalten hier folglich zunächst von seinem lat. Ursprung den Ausdruck in Beziehung mit im Auge, und hierbei die Präposition mit eher als das Substantiv Beziehung. Bei dem Worte mit fragen wir uns eher mit was ? als mit wem ? „Sagen Sie mir womit (den Ideen, Mitteln, Techniken und Verfahren), wie (die erarbeiteten Strategien), auf welche Art und Weise (originelle Gebräuche, Plan der individuellen Kompetenzen und der Aktivitäten der Gruppe) sie kommunizieren, und vielleicht kann ich mir so ein Bild davon machen, was Sie mir sagen und wohin Sie gehen wollen.”
Kommunizieren ist zunächst informieren, und in Information steckt das Wort „Form” : Eine Form geben. Demnach müsste sich jetzt die Frage stellen : Welche Form geben ? Der Verstand sagt uns, dass es Formen aller Art gibt, von den einfachsten bis hin zu den komplexesten, von den befreiendsten bis zu den beschränkendsten. Wir müssen somit ausforschen, welche Rolle die Information den verschiedenen Teilnehmern gibt, und gleichzeitig, auf was ein Kommunikationssystem die Information zurückführt : Informationsspektakel oder Informationserarbeitung ?
Anfang dieses Kapitels | |
Inhaltsverzeichnis | |
7. Kapitel : Multi-Aktivität | |
9. Kapitel : Lebensziele, Bedürfnisse und Wünsche |
Les périphériques vous parlent, zuletzt bearbeitet am 3. Juli 03 von TMTM
Powered by Debian GNU-Linux 2.4.18
Dieser Standpunkt hat uns übrigens dazu gebracht, „Theatralität” als Ausbildungsmittel vorzuschlagen, nicht als eine „Arbeitsmethode”, sondern als eine „Daseinsfähigkeit”. Es handelt sich hier darum, als „Autor seiner Taten” dazusein. (siehe auch den Artikel über das Laboratorium der praktischen Studien über den Wandel)
Sehr rechtsgerichtete „Philosophen”-Gruppe der siebziger Jahre, aus der später einige der Gründer der FN (Front National : „Nationale Front”) hervorgingen