Les périphériques vous parlent N° 2
HERBST 1994
S. 40-41
deutsch
diese Seite in französischer Sprache

vorangehender Artikel in Nr. 2 Welche Arbeit für den Menschen in Entwicklung ?
 Argumente und Vorschläge 
nach Gegen Ausgrenzung zu kämpfen...

versklavt

verstoßen,

Ausgegrenzt,

Die Ausgrenzung vom moralischen Standpunkt aus zu behandeln, ist ein schwerwiegender Irrtum. Dies ließe glauben, dass nur gute und karitative Intentionen ihn bekämpfen könnten. Wie können wir der Misere ein Ende bereiten, wenn wir nicht wollen, dass die Misere uns ein Ende bereitet ? Dies ist die Verantwortung der reichen Länder, eine Verantwortung, die nichts mit einer Pflicht zur Hilfe gemein hat.

Die Epoche sieht Europa Zufällen und Widersprüchen aller Art ausgesetzt, immer mehr an chaotischen Kämpfen beteiligt, die mit dem Fall der Mauer und dem Zerfall des Ostblocks begonnen haben, da diese den Rückfall in die Nationalismen begünstigen. Außerdem ist es in einen weltweiten Prozess interkontinentaler Beziehungen verstrickt und am Konflikt zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden beteiligt. Wir schlagen vor, dass jede Strategie, die die Ausgrenzung betrifft, die Problematiken der Weltentwicklung mit in Betracht ziehen muss. Die Erarbeitung einer politischen Strategie kann ihr Angriffsfeld aber nur auf der nationalen Ebene finden ; daher, was uns betrifft, in Frankreich.

Welches Frankreich wollen wir, um nicht dem Druck des Frankreichs, das wir nicht wollen, ausgesetzt zu sein, des Frankreichs der Nationalismen, der Integrismen, der Resignierten, der Väter, Großväter und Söhnchen ?

Wenn man vom „Schicksal Frankreichs” spricht, muss man wissen, von welchem Frankreich man spricht. Die Ausgegrenzten, die Liegengelassenen, die vom Wachstum Vergessenen, die Arbeitslosen, alle „Verunsicherten” und Gestraften haben durchaus das Recht, dieses Schicksal, das von ihnen nichts wissen will, abzulehnen. Diesem Frankreich da wünschen wir sicher ein Schicksal ohne Zukunft. Frankreich, das ist seine Zukunft. Wenn es so bleibt, wie es ist, hat es keine. Frankreich ist in einer aufzubauenden Welt aufzubauen.

Von Anfang an sagen wir, dass unsere politische Wahl uns ein vielrassiges Frankreich vorziehen lässt, mit allen, die für eine offene Gesellschaft kämpfen, mit allen, die die Mauern überall, auf der Erde oder in den Köpfen, niederreißen wollen.

Überall entstehen Räume, die von Polizeien geschützt oder von Mafias kontrolliert, vom organisierten oder vom Staats-Verbrechen erobert werden. Überall schützen Zäune die stumme Mehrheit, die sich hinter ihren Ängsten verbarrikadiert, während sie auf bessere Zeiten wartet.

Die Einrichtung von Ausgrenzungszonen, von Ghetto-Reserven in den Vorstädten oder den Bronx der Städte hat sich wie eine Fatalität der Zeiten ausgebreitet, Zwei-, Drei- oder Vierklassengesellschaft, die wir jeden Tag anprangern.

Von Seiten der Ausgegrenzten organisiert sich unablässig der Kampf ums Überleben, in der Gewalt der heißen Peripherien oder in zivileren Widerstandsformen. Aber für die meisten, für die große Mehrheit, fügt sich der Ausgrenzung selbst das Gefühl eines unerbittlichen sozialen Niederganges hinzu.

Von Seiten der Medien, der politischen Institutionen und auch eines großen Teiles der öffentlichen Meinung bestand der Kampf gegen Ausgrenzung in der Verwaltung des Skandals der Misere und darin, den Mindestbemittelten eine Hilfe zu garantieren. Allmählich verfälscht die Verwechslung der Regelung der sozialen Probleme mit einer humanitären „Hilfspflicht”, die sich das Herz zum Emblem macht, einen grundlegenderen politischen Kampf, der sich gegen die Ausweitung der Krise selbst wendet. In den Gedanken entsteht allmählich unmerklich die Idee einer Gesellschaft, die auf der einen Seite aus verunsicherten Eingegliederten und Sozialversicherten besteht, die täglich mehr werden und deren Schicksal von den „nützlichen Eliten” andererseits abhängt, die ihre Hand auf den Produktionsbereich gelegt haben.


zum Anfang dieses Artikels
Gegen Ausgrenzung zu kämpfen...

Gegen Ausgrenzung zu kämpfen bedeutet, Schluss mit der Beziehung Unterstützer/Unterstützter zu machen, die die Krise nur erschweren kann

Mit Sicherheit erweist sich die Politik der Hilfsleistungen nicht als ein Geschenk des Fürsorgestaates, sondern als ein Mittel, um Ausgegrenzte zu kontrollieren und zu normalisieren. Damit versteckt sie ein wirkliches politisches Druckmittel unter der manchmal obszönen Decke der öffentlichen oder privaten Großherzigkeit.

Wir wollen die Mauern niederreißen, welche unsere Entwicklung einsperren !

In diesem Sinne rufen wir den Jüngeren zu : Ausgegrenzte, Ausgestoßene, Oberschüler, Gymnasiasten, Studenten, Arbeitslose, lasst euch nicht aus eurer Jugend ausgrenzen, dies ist die schlimmste aller Ausgrenzungen. Morgen ist es zu spät.

Die „Abhängigkeitsvorkehrungen”, das Statut von Eingegliederten oder verunsicherten Unterstützungsempfängern zwängt einen Jeden in ein passives Warten auf bessere Zeiten und konditioniert eine Masse von „Anrechthabern”, die man unablässig an ihre sklavenhaften Reklamationen verweist. Man sieht hier übrigens leicht eine der zerstörerischsten Auswirkungen der gehorsamen Unterwerfung, die Jeden von der Schule an bis zum Berufsleben sein Leben in die Hände von Hierarchien gleich welcher Art legen lässt.

Nein. Der Kampf gegen Ausgrenzung kann sich nicht an den Anstrengungen messen, die der Staat leistet, um den verletzlichsten Kategorien der Gesellschaft Hilfe zu leisten, sondern an der Pflicht der Institutionen, die demokratischen Grundrechte zu befriedigen, die Rechte der Bürger, nicht die des abgewerteten Menschen. Stattdessen scheint man es oft vorzuziehen, Jedem den gesellschaftlichen Stand eines Hilfsleistungsempfängers zu geben und damit die Person aller Initiative und aller Autonomiegedanken zu berauben.

Das Abhängigkeitssystem, das die Schwere der Krise auf die Spitze treibt, bringt die Ausgegrenzten oft dazu, sich selbst aus jedem legitimen politischen Kampf auszuschließen. Die Möglichkeit, ein paar Tage länger durchzuhalten, dient als Alibi für den Mangel an politischem Willen, die lange Frist in Betracht zu ziehen. Der Staat und die anerkannten Organismen behalten sich das Recht vor, bei Bedarf zusätzliche Hilfsgüter zu verteilen, um den sozialen Druck abzuleiten, wenn er zu stark wird.

Wenn man die Misere der Anderen in die Rechnung mit einbeziehen will, muss man sich zunächst die Hauptfrage stellen : Wie kann man der Misere ein Ende setzen, wenn wir nicht wollen, dass die Misere uns ein Ende setzt ? Die Leute, die der Egoismus in zukunftslosen Privilegien festhält, dürfen sich keine Illusionen machen. Die wachsende Misere derer, die sie starrköpfig nicht sehen wollen, wird nur ihre eigene Misere, ihr eigenes Ende heraufbeschwören.

Die Frage „Was kann man für die Ausgegrenzten tun ?” zeigt nur die sterile Anstrengung, die den Reichen quält, wenn es darum geht, vor den Augen des Armen Abbitte zu leisten. Wir orientieren uns hier dahin, uns zu fragen : Was wird die Gesellschaft unternehmen, um zu verhindern, dass das schlimmste geschieht, d.h. bevor der Kampf ums Überleben völlig die Forderung nach einem verantwortlichen Leben verdunkelt ?

zum Anfang dieses Artikels
nach Gegen Ausgrenzung zu kämpfen...
zum Inhaltsverzeichnis
vorangehender Artikel in Nr. 2 Welche Arbeit für den Menschen in Entwicklung ?
folgender Artikel in Nr. 2 Kulturelle Ausdrucksformen

Les périphériques vous parlent, zuletzt bearbeitet am 3. Juli 03 von TMTM
Powered by Debian GNU-Linux 2.4.18


Für uns gibt es nur eine Rasse : Die Menschheit. Aber hier gebrauchen wir das Adjektiv „vielrassig” an Stelle von multikulturell oder pluriethnisch, um den Rassisten auf ihrer eigenen Ebene zu begegnen, gegen den Rassismus als Theorie, die eine Hierarchie unter den Rassen einführen will.