HERBST 1994 S. 60 |
Wer seinen Hund ertränken will, sagt, er hat Tollwut | |
Erste Antworten |
Photo Florent Maillot |
Ich habe mit Interesse den Vorabdruck der nächsten Nummer „OBJEKTIV JUGEND” Ihrer Zeitschrift „Les périphériques vous parlent” gelesen. Ich finde diese Initiative außerordentlich.
Der Satz, oder eher das Konzept von „eine Gegenwart haben, die ihre Zukunft enthält” hat meine Gedanken während mehrerer Tage beschäftigt. Beim ersten Lesen, muss ich zugeben, dass ich es grausam fand. Tausendmal habe ich es in meinem Kopf gedreht und gewendet, immer kam ich auf die Grausamkeit zurück. Aber dieses Gefühl der Grausamkeit hat mir letztlich erlaubt, mir darüber im Klaren zu werden, welche Folgerungen aus diesem Satz zu ziehen sind.
Dann habe ich begonnen, mit meinen Freunden, meinen Eltern, mit allen Leuten über „Objektiv Jugend” zu sprechen. Ich sprach von meiner Zukunft, meiner Entwicklung. Und alle antworteten verständnisvoll : „Das haben wir schon gemacht”, „das kann nicht gut gehen” oder noch zynischer : „Zukunft gibt es nicht”, usw. Hätte auch ich mich im allgemeinen Pessimismus mitreißen lassen, hätte ich entdecken können, dass das no future der Punks auch zu meinem Lieblingswort geworden wäre, und ich hätte die absteigende Spirale mitdrehen können, auf Grund derer es nur noch eine Gegenwart gibt, die uns traurig auf die Vergangenheit zurückblicken lässt.
Ein Leitwort Brechts : Nicht von der guten alten Zeit ausgehen, sondern von der schlechten neuen Zeit.
|
Heutzutage müssen wir in einer Gegenwart leben, die nichts als ihre Vergangenheit enthält ! Darum kam mir Ihr Satz „eine Gegenwart haben, die ihre Zukunft enthält” so grausam vor. Zweifellos fordert dieses Konzept dazu auf, eine Wahl zu treffen, und diese Wahl ist grausam. Man muss den Kampf aufnehmen. Man hätte doch zu gerne auf den glücklichen Zufall gewartet. Doch man weiß, wohin das führt !
Natürlich leugne ich nicht, dass jede Gegenwart, um Gegenwart zu sein, ihre Vergangenheit enthalten muss, doch dies ist einfach eine Folge des Lebens, aber gegenwärtig stellt sich die Frage : Was mache ich aus dieser Gegenwart, die meine Vergangenheit enthält ?
Die beiden Alternativen „eine Gegenwart, die ihre Vergangenheit festhält” und „eine Gegenwart, die ihre Entwicklung enthält” erlauben, die wirklichen Unterschiede in ein neues Licht zu setzen, die heutzutage „rechts” von „links” unterscheiden lassen. Dies ist keine kleine Problematik. In der Folge ist mir klar geworden, warum Sie den Leser um eine Antwort bitten : Um antworten zu können, muss man verstehen, aber sobald man versteht, muss man Stellung beziehen. Ich wünsche von ganzem Herzen, dass die Debatte „Jugend von Natur und Jugend von Kultur” überall stattfindet.
Bis Bald !
Bernadette Valois
Anfang dieses Artikels | |
Inhaltsverzeichnis | |
Wer seinen Hund ertränken will, sagt, er hat Tollwut | |
Was ist das Ziel der Périphériques vous parlent ? |
Les périphériques vous parlent, zuletzt bearbeitet am 3. Juli 03 von TMTM
Powered by Debian GNU-Linux 2.4.18